Unterrichtet ihr den „Alten Rahmen“ (laojia) oder den „Neuen Rahmen“ (xinjia) des Chen-Stil Taijiquan?
Bei uns werden diese Namen nicht verwendet. Sie sind in den Siebzigerjahren entstanden, weil eine Riege junger Trainierender in Chenjiagou von zwei Lehrern lernte, Chen Zhaopi und Chen Zhaokui. Chen Zhaopi verstarb 1972, woraufhin Chen Zhaokui einige Male in das Dorf kam, um dort zu unterrichten. Da die beiden Unterrichtsmethoden variierten, sprachen die Dorfbewohner fortan von zwei Rahmen, einem „alten“ und einem „neuen“. Historisch betrachtet ist aber keine dieser Formen neuer oder älter, es sind unterschiedliche Ausdrucksformen derselben Choreografie.
Woher kommen diese Namen?
Da einige der damals im Dorf Unterrichteten später recht bekannt wurden, wurden die von ihnen verwendeten Bezeichnungen "alter Rahmen" (laojia) und "neuer Rahmen" (xinjia) ebenfalls gebräuchlich. Sie behielten verständlicherweise die Art bei, wie sie selbst unterrichtet worden waren, und lehren Anfängern meist zuerst die eine Form und Fortgeschrittenen die andere. Traditionell ist diese Unterrichtsweise aber nicht, denn es gab ursprünglich immer nur zwei Handformen, nicht zwei mal zwei. Zudem ist an dieser modernen Unterrichtsdidaktik, bei der man unbedingt alle diese Rahmen unterrichten möchte, problematisch, dass die wirklich vorhandenen methodischen Unterschiede stets völlig vernachlässigt werden. In Chenjiagou folgt man bei allen Rahmen stark der Lehre von Chen Zhaopi, weil dieser über einen längeren Zeitraum im Dorf Unterricht gab. Chen Zhaokuis Rahmen werden heute zwar noch gelehrt, ihre innere Essenz ist in Chenjiagou aber weitestgehend verloren gegangen und wurde andernorts besser erhalten, wo Chen Zhaokui mehr Zeit verbrachte und seine Methoden tiefer gehend vermitteln konnte.
Was unterrichtet ihr für Übungen?
Unsere Tradition ist nicht derart zweigeteilt. Unser Lehrer Chen Yu lernte von seinem Vater Chen Zhaokui, und dieser zuvor bei seinem Vater Chen Fake. Daher gibt es keine „neuen“ oder „alten“ Rahmen. Wir unterrichten einen Rahmen, der auf Chen Changxing (1771-1853) zurückgeht und den unser Lehrer „Gongfu jia“ nennt, den „Kungfu-Rahmen“. Er bezeichnet damit eine Form, an der man kontinuierlich arbeitet, durch die man aufgrund der verrichteten Arbeit wächst und mit deren Hilfe man Gongfu erlernt. Es ist eine Form, die keine Schnörkel kennt, sondern nur sinnhafte Bewegungen, die auf eine Verbindung körperlicher und geistiger Aspekte ausgerichtet sind. Wenn wir von unterschiedlichen Ausdrucksformen sprechen wollen, benennen wir die Formen normalerweise nach der Anzahl ihrer Bewegungen, also z.B. 75er-Form oder 83er-Form. Wir unterrichten eine erste Form, die 83 Bewegungen besitzt (bzw. mit einigen zusätzlichen Namensergänzungen unseres Lehrers 89), und eine zweite Form "Kanonenfaust" mit 72 Bewegungen. Die in unseren Formen vorhandene Methodik ist sehr speziell und benötigt keine zusätzlichen Rahmen.