Chen Yu wurde am 23.05.1962 in Beijing geboren. Seine Familie stammt aus Chenjiagou in der Provinz Henan. Er ist ein herausragender Repräsentant der 19. Generation der Chen Familie. Da er nie an Massenunterricht interessiert war, blieb er recht unbekannt, gilt aber in chinesischen Kampfkunstkreisen als einer der beeindruckendsten Chen Taijiquan Meister. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Peking.
Einleitung und frühe Jahre
Chen Yu1 wurde am 23.05.1962 in Beijing im Stadtbezirk Xuanwu geboren. Seine Familie stammt aus Chenjiagou in der Provinz Henan. Er ist ein herausragender Repräsentant der 19. Generation der Chen Familie und weist eine Abstammungslinie bis zu seinem direkten Vorfahren Chen Changxing auf. Chen Yu war nie an Massenunterricht interessiert, sondern unterrichtet detailgenau die Feinheiten seines Familienstils in kleinen Gruppen, so wie es traditionell üblich war. Daher ist er international recht unbekannt geblieben, obwohl er in chinesischen Kampfkunstkreisen als einer der beeindruckendsten Taijiquan-Meister angesehen ist. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Peking. Neben einer Vielzahl von Ehrenpositionen ist Chen Yu Präsident der Chen Zhaokui Taijiquan Gesellschaft. Er ist das einzige Kind von Chen Zhaokui und Enkel des legendären Chen Fake, der das Taijiquan der Gründerfamilie in Peking bekannt machte.
Seine Mutter kam aus Shandong und seine Eltern trennten sich, als Chen Yu zwei Jahre alt war. Im Alter von vier Jahren wurde er zu seiner Großmutter (mütterlicherseits) nach Shandong gebracht. Die Jahre waren politisch unruhig, denn gerade hatte die Kulturrevolution begonnen, so dass es in Beijing gefährlich geworden war, zumal sein Vater ja auch Taijiquan unterrichtete, was als verboten galt. Zu dieser Zeit waren die Lebensumstände aber auch auf dem Land sehr hart und Chen Yu erkrankte schwer. Mit sieben Jahren kehrte er nach Peking in den Yangrou Hutong zurück, um bei seinem Vater und seiner Großmutter (väterlicherseits) zu leben.
Zu dieser Zeit begann er mit dem Taijiquan-Training und erholte sich körperlich wieder. Sein Vater legte von Beginn an Wert darauf, dass er gewissenhaft zehn Formen pro Tag trainiert2. Bereits in jungem Alter assistierte er seinem Vater beim Unterricht. Seit 1989 unterrichtet er hauptberuflich das Taijiquan seiner Familie.
Unterricht in Chenjiagou
Ab 1972, nach dem Tod von Chen Zhaopi, leitete Chen Zhaokui den Unterricht in Chenjiagou. In dieser Zeit tradierte er die Formen Chen Fakes und bewahrte so dessen Gongfu für die Nachwelt. Diese Formen nannte man im Dorf im Nachhinein den "Neuen Rahmen" (Xinjia). Auf die Frage nach dem Unterschied zum "Alten Rahmen" (Laojia), der in Chenjiagou hauptsächlich geübt wird, bemerkt Chen Yu: "Die 75er-Form wird Laojia genannt, die 83er hingegen Xinjia, das ist der Sprachgebrauch im Taijiquan, aber in Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied von Laojia und Xinjia, denn die beiden Formen sind überlieferte Chen-Stil Taijiquan Formen und ihre Inhalte sind gleich, und beide sind der überlieferte Gongfu Rahmen. Wenn man sie differenzieren möchte, dann, indem man sagt, dass die 83er mehr Kreisbewegungen hat, mehr kleine Bewegungen, und mehr Anforderungen an die Kampfanwendungen stellt..."3. Chen Yu begleitete seinen Vater bei dessen Tätigkeit ständig und wohnte überall dem Unterricht bei, den Chen Zhaokui seinen Schülern gab. Unter diesen waren viele, die später auch international bekannt wurden: Chen Xiaowang, Chen Zhenglei, Zhu Tiancai, Wang Xian, Ma Hong, Yang Wenhu, Zhang Qilin, Zhang Maozhen u.v.m. Chen Yu lernte bei seinem Vater bis zu dessen Tod 1981 in Jiaozuo, ca. 40km von Chenjiagou entfernt. Er selbst erinnert sich so an diese Zeit:
"Mein Vater und ich haben einander unterstützt und waren voneinander abhängig. Nachdem ich mit Vater angefangen habe Taijiquan zu trainieren, ist mein Körper allmählich stark geworden. Das Taijiquan hat mir ein zweites Leben ermöglicht. Nachdem meine Oma verstorben war [1972, Anm. d. Ü.], war es trotz meiner jungen Jahre meine Aufgabe, mich um meinen Vater zu kümmern. Um auf Vater aufzupassen, habe ich meine Tante Chen Yuxia besucht und habe von Onkel gelernt zu kochen. Das Haus von meiner Tante war nicht weit von unserem Haus entfernt, sozusagen auf der anderen Straßenseite. Ich habe für Vater die Wäsche gewaschen. Im Winter, als das Wasser eiskalt war, sind mir dabei die kleinen Hände eingefroren.
Vater hatte einen Lederkoffer, voll mit Romanen und Büchern über Taijiquan. Egal, wo Vater hingegenagen ist zum Unterrichten, er hatte immer diesen kleinen Koffer dabei. Das letzte Mal, dass ich diesen Koffer sah, war nach dem Tod meines Vaters. Aber der Koffer war leer und alle Bücher waren verschwunden. Mein Vater und ich lebten über zehn Jahre zusammen. Obwohl wir arm waren, hatten wir doch ein geistig (spirituell) reichhaltiges Leben. Unsere wesentlichen Inhalte und Themen bestanden aus der Trainingsmethode unserer Familie. Wenn ich an unsere Gespräche zurückdenke, ging es so gut wie immer um unser Training. Nachdem mein Vater gestorben ist, habe ich mich für drei Jahre zurückgezogen, um intensiv (bitter) zu trainieren. Oft hat er mich im Traum unterstützt und mein Training angeleitet." (Chen Yu, 2011, übersetzt von Filip Gutknecht-Stöhr)
Authentisches Taijiquan-Training
Seinen ersten öffentlichen Auftritt absolvierte Chen Yu 1976 während des nationalen Taijiquan Treffens des Bezirkes Wen in der Provinz Henan (chin. 河南温县在全国太极拳大会). Von 1985 bis 1988 praktizierte er drei Jahre Intensivtraining, ohne etwaige andere Verpflichtungen wahrzunehmen. In dieser Zeit feilte er sein Taijiquan wie kaum ein anderer aus. So sagt er:
"Nach dem Tod meines Vaters habe ich seine Worte im Gedächtnis behalten und fortlaufend drei Jahre lang bitter trainiert. Das zu sagen, ist einfach, es zu machen, ist hart. Der ganze Körper schmerzte. So ist das, wenn man dabei auch gewissenhaft übt. Der Körper erhitzte stark. Nachdem er so erhitzt ist, kann man wirklich davon sprechen, dass die Sehnen aufgezogen und die Knochen geöffnet sind, dass Energie und Blut verändert sind, das Gewebe und die Knochen gewandelt werden. Aber zu diesen Zeiten kann man sich nicht hinlegen, und sich auch nicht setzen vor Schmerzen. Wenn ich zu Bett ging, musste ich meine beiden Beine mit den Armen hochheben, ich konnte sie [vom Training] nicht mehr bewegen."
2002 erhielt er den Beinamen "ausgezeichneter Vertreter einer ehrenwerten Familie", Jiangmen Huzi (chin. 将门虎子). In diesem Jahr gründete Chen Yu auch die nach seinem Vater benannte Chen Zhaokui Gesellschaft zur Erforschung des Taijiquan. Seine Website befindet sich unter www.cytjw.cn.
Chen Yu zeichnet sich durch die hohe kämpferische Anwendungsfähigkeit seines Taijiquan aus und eine traditionelle Unterrichtsweise, die keine Vereinfachungen kennt, sondern einen Blick in die tiefe Gongfu-Praxis früherer Zeiten erlaubt. Seine Form beinhaltet präzise Stände, gewandte Schrittarbeit und eine sehr ausgeklügelte Körpermechanik, die ständig explosive Fajin-Bewegungen ermöglicht, aber auch ein genaues, detailreiches und anstrengendes Üben abverlangt: "Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen ist, echten Enthusiasmus für das Taijiquan zu entwickeln. Hinzu kommt die wirkliche Bereitschaft, hart zu arbeiten und sich mit Leib und Seele dieser Kunst zu verscheiben. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass man, wenn man Taijiquan richtig übt, schwitzen muss!"4.
Chen Yu Taiji
Allerdings unterstreicht Chen Yu stets die Gesundheitsaspekte und die geistigen, inneren Prinzipien des Taijiquan: "Wenn man die Boxkunst übt, ist das Wichtigste, dass die Gesundheit davon profitieren sollte. Zudem sollte unbedingt auch der Geist trainiert werden, denn wenn der Geist nicht in Ordnung ist, ist auch der Körper nicht gesund."5 Dabei lebt Chen Yu seine Kamfkunst in außerordentlicher Weise und motiviert seine Schülerschaft fortwährend. Bei der Aufnahmezeremonie eines neuen Schülers erwähnte er: "Euer Ziel muss es nun sein, im Taijiquan und im Tuishou besser als ich zu werden. Und wenn Ihr das schafft, dann werde ich überglücklich sein! Warum glücklich? Denn das würde bedeuten, dass ich das System des Chen Stil Taijiquan so fein für Euch aufschlüsseln konnte, dass ich wirklich all mein Wissen an Euch übertragen habe und dass es so für die nächste Generation bewahrt bleibt."6
Fußnoten:
6 zum Anlass einer Baishi Zeremonie, 2009
Bibliographie
Chen Yu (2007). 陈瑜一路精装图集 - 家传陈氏太极拳功夫架一路彩图集 (Chen Yu Yilu gebundener Bildband - Taijiquan der Chen Familie, Bildband der ersten Gongfu Form).
Chen Yu (2005). Chenshi taijiquan. S. 30-35. Beijing: Chen Zhaokui taijiquan she.
Chen Yu (2011). Taiji Rensheng. Erinnerungen an meinen Vater Chen Zhaokui. Beijing: Mingjia Shuhua Chubanshe.
Stubenbaum, D. (2004). Chen Yu, der Nachfolger von Chen Fake und Chen Zhaokui. Cultura Martialis , 1(1), 10-18.
Videomaterial von Chen Yu und Schüler von Chen Zhaokui (o.J.).
Videomaterial: