Gibt es im Taijiquan eine bestimmte Etiquette?
Die Etiquette kann in unterschiedlichen Schulen und Traditionen stark variieren. Erfahrungsgemäß wird sie in den chinesischen Kampfkünsten aber nicht zu strikt gehalten. Schüler und Lehrer gehen freundlich und normal miteinander um. Es gibt keinerlei Verbeugungen oder militärische Riten. Natürlich passt sich die Etiquette immer auch dem Zeitgeist an und verändert sich. Dennoch finden sich viele traditionelle Inhalte heute noch vor, wie die Baishi-Zeremonie, also das offizielle Anerkennen eines Lehrervaters (shifu), oder die Ahnen-Zeremonie (jizu).
Die Begriffe Shifu, Shimu, Laoshi und mehr
Hat man die jeweiligen Zeremonien durchlaufen, befindet man sich quasi in der Stammlinie des jeweiligen Lehrers bzw. der Lehrerin und führt die Linie fort. Das bedeutet Commitment und den Zugang zum Wissensschatz der Traditionslinie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob man dann trainiert oder nicht und sich gongfu aneignet, hängt natürlich weiterhin von dem eigenen Eifer und Talent ab.
Bevor man in so einer Linie ist, nennt man Lehrer meist allgemeiner "laoshi". In unseren Breitengraden werden diese kulturellen Eigenheiten häufig missverstanden oder auch gewollt fehlinterpretiert. Beispielsweise nennen sich Lehrende im Westen häufig selbst "Meister" oder sogar "Großmeister". In China reden sich Personen aber generell mit Anrede an, die den Beziehungsstatus wiedergibt (Bruder, Schwester, Tante, Lehrer etc. pp.). Der "Lehrervater" (shifu) ist also eigentlich kein genereller Titel im Chinesischen, sondern nur eine Anrede, falls man in einer entsprechenden Lehrtradition zueinander steht. Ähnlich den deutschen Familienbezeichnungen wie "Tante", "Onkel", "Opa", "Oma" und so weiter. Im Deutschen hat der Begriff des "Meisters" gegenüber dem chinesischen Begriff des "Lehrervaters" darüber hinaus Bedeutungen, die nicht unbedingt Bestandteil des chinesischen Begiffes sind. Manchmal ist es etwas lustig, hierzulande zu beobachten, wie sich Personen aufwerten möchten und sich selbst "Meister" nennen, als wäre es ein Doktor- oder Adelstitel und eben nicht die eigentliche familiäre Verwandtschaftsbeziehung.
Beim CTND gibt es keine übergeordnete Etiquette. Allerdings wird eine aufrichtige und freundliche Umgangsform vorausgesetzt, ohne die sich Kampfkunst unserer Meinung nach nicht anständig entwickeln lässt. Dazu gehören auch einige Werte, die uns verbinden und als Leitlinien bei der persönlichen Entwicklung helfen sollen:
- das korrekte Bemühen
- die Einsicht, warum man trainiert und die realistische Betrachtung des eigenen Könnens
- die kooperative Grundhaltung, die ein Miteinander und ein ernsthaftes Training in der Gemeinschaft erst ermöglicht
- der Respekt gegenüber sich selbst, gegenüber dem/der LehrerIn, gegenüber seinen SchülerInnen und seinen MitschülerInnen