Sind Venus und Erde gleich? Ja, denn sie sind beide Planeten. Und auch nein, denn sie sind sehr unterschiedlich. So ähnlich verhält es sich auch mit den Kampfkünsten und den chinesischen Kampfkünsten. Sind die Kampfkünste alle gleich? Ja, sie nutzen alle den menschlichen Körper und es gibt bestimmte Kategorien, wie Schläge, Tritte, Hebel und Würfe, die immer wieder auftauchen. Und nein, denn es sind nicht immer dieselben Techniken, Distanzen, Trainingsmethoden und so weiter und so fort. Judo und BJJ sind nicht gleich, Taekwondo und Escrima nicht und und und.
Ähnlich verhält es sich auch bei den chinesischen Kampfkünsten. Shaolin Kungfu spricht auch von Yin und Yang, es hat Formen, Kampf-Techinken, eine bestimmte Geisteshaltung, die sich hinter dem System verbirgt. All das kann man auch über Chen-Stil Taijiquan sagen. Also gleich? Ja, und auch nein.
Wir sehen, dass es immer auf die Kategorie ankommt, die man betrachtet. Viele sprechen über die Prinzipien, die doch gleich seien, und häufig sind sie das auch über Lehrer, Stile und teils sogar Länder hinweg. Und das stimmt. Wenn man so denkt, ist man Generalist. Wenn man Experte in einem Stil werden möchte, sollte man auch auf die Unterschiede sehen. Dann wird man zum Spezialisten.
Als ich anfing, bei Chen Yu Taijiquan zu lernen, dachte ich, Chen-Stil Taijiquan ist doch immer gleich. Doch nach und nach lernte ich die spezifischen Methoden, wie verlagere ich den Schwerpunkt, was macht das Zentrum, was der Blick, die Atmung, welche Jin-Kräfte baue ich auf? So dass ich merkte, ich konnte meine alten Formen nicht mehr machen, da ich meine Bewegungen mit einer anderen Methodik gefüllt hatte. Wenn man mich also damals gefragt hätte, hätte ich gesagt, nein, die Formen sind überhaupt nicht gleich. Auf dieser Ebene der Methodik sind sie das meistens auch nicht.
Wenn man auf die äußeren Bewegungen schaut, sind die Chen-Stil Formen alle deutlich verwandt (auch mit dem Yang-Stil). Die des sogenannten großen Rahmens mehr als die des sogenannten kleinen Rahmens. Auf der Ebene der inneren Methodik aber muss das nicht so sein. Dort geht es darum, wo man das Gewicht hat, was die einzelnen Segmente machen wie Knie, Fuß, Hüfte und so weiter. Wenn ich sehe, dass in einer Linie drei Schüler desselben Lehrers alle einen anderen Gewichtswechsel machen, dann weiß ich, dass Gewichtswechsel nicht wirklich zur Methodik gehören. Weil es eben jeder so macht, wie er denkt. Wenn es alle in etwa ähnlich machen, weiß ich hingegen, es ist ein stilbildendes Element und gehört zur Methodik.
Wenn ich also die Form sehe, die Chen Zhaokui an vielen Orten unterrichtet hat, und die meist Xinjia genannt wird, dann blicke ich nicht auf die Form. Sondern, welche inhärente Methoden sie aufweist. In einem Kreis gibt es bei uns ca. 8 Kräfte, die man trainiert. Es sind spezifische Kräfte, die spezifisch verbunden werden mit der restlichen Körpermethodik.
Wenn ich also auf den Kreis blicke, dann sind es dieselben Formen. Wenn ich auf die Kräfte im Kreis achte, dann sind sie meist grundverschieden. Viele, die keine Methoden gelernt haben, sondern nur die Bewegungen und vielleicht noch, welche Qualitäten man damit grundsätzlich trainieren möchte, sehen das ganz anders. Für sie ist alles gleich. Das stimmt ja auch... aber für uns ist alles unterschiedlich. Und das stimmt auch!