Shaolin Kungfu

Mit freundlicher Genehmigung von Meir Shahar veröffentlichen wir hier eine Übersetzung aus seinem Buch "The Shaolin Monastery: History, Religion, and the Chinese Martial Arts".

Mit freundlicher Genehmigung von Meir Shahar findet sich hier die Übersetzung eines kurzen Ausschnitts aus dem Buch „The Shaolin Monastery: History, Religion, and the Chinese Martial Arts“ (S. 133-136; ISBN 978-0824833497).

 

Andere Kampf-Stile

Im Winter 1930 reiste der wegweisende Kampfkunst-Historiker Tang Hao (1897-1959) in das Chen-Familien-Dorf  (Chenjiagou) im Bezirk Wen im Norden Henans. Tang, dessen Forschung sowohl Text- als auch Feldarbeit umfasste, suchte Materialien zum Ursprung des Taiji Quan, welches bekanntermaßen in diesem Dorf entwickelt worden war. Er förderte dort zwei Qing-Dokumente zutage, die darauf hindeuteten, dass die Fundamente der weltberühmten Technik im 17. Jahrhundert gelegt worden waren: eine Familiengeschichte, die den Nahkampf-Stil der Familie Chen der neunten Generation des Klans zuschrieb, Chen Wangting (ca. 1580- ca. 1660), und ein Gedicht von diesem, welches seine Erfindung einer quan-Technik erwähnt (vgl. dazu weitere Artikel auf unserer Seite). Die meisten Gelehrten akzeptierten Tang Haos Ansicht, dass Chen Wangtings Kampfkunst dem Taiji Quan, wie wir es heute kennen, entweder entsprach – oder aber ihr unmittelbarer Vorgänger war, obwohl seine erhaltenen Schriften den Begriff taiji nicht beinhalten.
  
 
 
Chen Wangting hatte während der Ming-Dynastie als Beamter gedient. Während der 1610er und 1620er Jahre wurde er zum regionalen Inspektor für Shandong, Zhili und Liaodong ernannt. Er hatte zudem aus erster Hand Kriegserfahrung gesammelt und an mehreren militärischen Auseinandersetzungen mit den Mandschu entlang der nördlichen Grenzen teilgenommen. Zur Zeit der Qing-Invasion von 1644 lebte er jedoch im Ruhestand in seinem Heimatdorf. Beim Schwelgen in Erinnerungen schreib er nieder: „ich seufze, wenn ich an diese Jahre (zurück-)denke; als ich, gerüstet und mit einem Speer bewaffnet, die Banditenhorden hinwegfegte, und mich dabei häufig selbst in Gefahr brachte… Nun, alt und zerknautscht, hab ich nichts als das [daoistische] Buch vom Gelben Hof, mich zu begleiten. Wenn ich gelangweilt bin entwickele ich Techniken zum waffenlosen Kampf (quan); während der geschäftigen Zeit bestelle ich die Felder; in meiner freien Zeit unterrichte ich ein paar Schüler und Nachkommen, und ermögliche ihnen, leicht so stark wie Drachen und Tiger zu werden.“
  
 
Chen Wangting erschuf seinen waffenlosen Kampfstil in der Nähe des Shaolin-Klosters; sein Heimatort Chenjiagou ist etwa 35 Meilen nördlich des Tempels gelegen. Zudem legte er den Grundstein für Taiji Quan in exakt derselben Zeitspanne, dem 17. Jahrhundert, als die Shaolin-Mönche [ebenso] ihre Aufmerksamkeit auf den waffenlosen Kampf richteten. Es sollte also keine Überraschung sein, dass sein Taiji Quan gemeinsame Wesenszüge mit dem Shaolin Quan aufwies – wie die Betonung auf "Nahkampf" (duanda). Der Begriff taiji (das höchste Letzte) spielt eine Rolle in dem Shaolin-Klassiker des waffenlosen Kampfes (vgl. nebenstehendes Bild). Gleichfalls fand der Stab-schwingende Vajrapani aus der Kloster-Legende seinen Weg in die militärischen Schriften der Chen-Familie. „Die meisten Menschen“, schreibt Matsuda Ryûchi, „glauben, dass Taiji Quan und Shaolin Quan komplett unterschiedliche Formen des waffenlosen Kampfes darstellen. Tatsächlich, bezogen auf ihre Grundpositionen, Handmethoden, Beinmethoden und andere Kampfaspekte, sind die beiden Stile völlig gleich.“
  
Taiji Quan war nicht der einzige waffenlose Stil, der in der Nähe des Shaolin-Klosters entstand. Seit dem 17. Jahrhundert und durch die gesamte Qing-Zeit hinweg war Henan eine Brutstätte für Kampfkünste. Entlang des Gelben Flusses (von Shanxi aus durch Henan nach Shandong) tauchten zahlreiche Kampfstile auf – viele von ihnen im Kontext sektiererischer Rebellionen. Die enge Beziehung von Kampfkunst und religiösem Sektierertum in Nordchina wird durch die gemeinsame Namensgebung belegt. Wir haben bereits erörtert, dass die Pflaumenblüte sowohl der Name eines waffenlosen Stils (quan) als auch der einer Religion (jiao) war, und unsere frühesten Zeugnisse der Acht-Trigramme-Handflächen (Bagua Zhang) stammen aus dem religiösen Aufstand gleichen Namens. 1786 und erneut 1813 rebellierte die Acht-Trigramme-Sekte in Hebei und Nord-Henan. Die Geständnisse der gefangengenommenen Mitglieder, von denen viele aus dem Hua Bezirk in Henan kamen, liefern die frühesten Berichte über den waffenlosen Stil dieses Namens.
  
Ein weiterer unbewaffneter Stil, der im Henan der Qing-Zeit eine Rolle spielt, ist Xingyi Quan (Form-und-Geist-Faust), welches auch als Xinyi Liuhe Quan (Geist-und-Absicht-Sechs-Harmonien-Faust) bekannt ist. Qing-Zeit Handbücher und Familiengeschichten deuten an, dass es von Ji Jike (fl. 1650) erschaffen wurde, der gebürtig aus der Nachbarprovinz Henans, Shanxi, stammte. Es heißt, Ji habe seinen waffenlosen Stil auf der Basis einer Speer-Methode kreiert, in der er vorher bereits brillierte. Nach der Mandschu-Eroberung wird berichtet, dass er sagte, das Kämpfen mit bloßen Händen wäre im Frieden passender als der bewaffnete Kampf. Auf jeden Fall war Xingyi Quan im 18. Jahrhundert bereits nach Henan überliefert worden, wo sich ein lokaler Sub-Stil ausprägte. Eine der frühesten noch erhaltenen Xingyi-Abhandlungen, das Manual der Geist-und-Absicht-Sechs-Harmonien-Faust (Xinyi Liuhe Quan pu), war wahrscheinlich in Henan verfasst worden, wo es von Tang Hao im frühen 20 Jahrhundert entdeckt wurde. Das Handbuch beinhaltet vier Vorworte – von 1733, 1735, 1754 und 1779 – allesamt von Autoren aus Henan.
  
Gemäß einiger Xingyi-Handbücher hatte Ji Jike mehr als 10 Jahre im Shaolin-Kloster verbracht, wo er das Kämpfen studiert und sogar unterrichtet hatte. Allerdings sollte diese Behauptung vorsichtig behandelt werden. Während die Verbindung des Kampfstils mit Henan sicher scheint, sollte die persönliche Zugehörigkeit [Ji Jikes] zum Kloster hinterfragt werden, wenn auch nur, weil sie ein verdächtiges wiederkehrendes Motiv in den Hagiographien zahlreicher Kampfkünstler ist. Während der Qing-Zeit scheint die Shaolin-Verbindung eine Voraussetzung geworden zu sein in der Kampfkunst-Mythologie, so dass von Erfindern neuer Kampf-Stile [generell] angenommen wurde, dass sie zum Kloster gereist waren und seine Techniken gemeistert hatten, bevor sie ihre eigenen überlegenen [Techniken] kreierten. Der legendäre Gründer der Inneren Schule (Neijia), Zhang Sanfeng (fl. 1400?), soll den Shaolin-Stil gründlich gelernt haben, bevor er seine Prinzipien „umkehrte“. Gleichfalls wird von Wang Lang (fl. 17. Jahrhundert), dem vermutlichen Schöpfer der Gottesanbeterinnen-Faust (Tanglang Quan), angenommen, dass er im Shaolin-Kloster gelebt hatte und wiederholt von den herausragenden Kampfkünstlern dort besiegt worden war. Nachdem er das Kloster verzweifelt verließ, verbrachte Wang mehrere Jahre auf der Straße, bis er eines Tages auf eine Gottesanbeterin stieß, die eine Zikade fing. Indem er die Vorderbeine des Insekts imitierte erschuf er seinen einzigartigen Stil, worauf er nach Shaolin zurückkehrte und schließlich seine alten klösterlichen Rivalen überwinden konnte.
  
Auch wenn wir unsere Aufmerksamkeit von der Betrachtung einzelner Stile auf eine textliche Untersuchung richten, werden wir mit der Bedeutung Henans konfrontiert. Obwohl, wie wir später noch sehen werden, wichtige Abhandlung des waffenlosen Kampfes auch woanders entstanden, wurden einige der einflussreichsten Schriften innerhalb einer oder zweier Tagesreisen mit einem Maultier vom Shaolin-Kloster entfernt geschrieben. Chang Naizhou (fl. 1740) verfasste seine Kampfkunst-Abhandlungen in Sishui, etwa 30 Meilen nördlich des Klosters. Wang Zongyue (fl. 1780), wenn auch ein Einheimischer Shanxis, notierte seine theoretischen Taiji Quan-Schriften vermutlich entweder in Luoyang oder in Kaifeng, wo er in den 1790ern wohnte. Auch Chen Changxing (1771-1853) und Chen Xin (1849-1929) stellten ihre Taiji-Handbücher in Henan zusammen und, wie wir gesehen haben, und Yang Bing (b. 1672) verfasste seine zur Pflaumenblüte im Neihuang Landkreis derselben Provinz. Das Xingyi-Handbuch Geist-und-Absicht-Sechs-Harmonien-Faust wurde wahrscheinlich ebenfalls in der Provinz niedergeschrieben. Wir können daraus schließen, dass der Shaolin-Nahkampf in einer Region erblühte, die eine wichtige Rolle gespielt hatte in der Entwicklung der chinesischen waffenlosen Kampfkünste.
  
Die Zeit der späten Ming und der frühen Qing waren entscheidende Perioden in der Geschichte der chinesischen waffenlosen Kampfkünste. Stützen sie sich auch auf frühere ming-zeitliche quan-Techniken, war das 17. Jahrhundert doch Zeuge der Entstehung neuer waffenloser Stile, die dreihundert Jahre später in der ganzen Welt verbreitet wurden. Die Ursprünge des Taiji Quan, Xingyi Quan und Shaolin Quan – dessen früheste Spuren in dem Nahkampf-Klassiker und in Xuanji’s Akuptunktur-Punkten aufgezeichnet wurden – kann gleichermaßen in die Ming-Qing-Übergangzeit zurückverfolgt werden. Ihre Entstehung wurde von der Ausformulierung einer neuen Kampfkunst-Philosophie und –Mythologie begleitet, der wir ins im Folgenden zuwenden.
 

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