Über den Daoismus und seinen legendären Begründer Laozi (Lao-tse).
Einführung in den Daoismus
Der Daoismus hat keinen direkten Bezug zum Taijiquan, sondern stellt neben anderen philosophischen Schulen eine der großen Denkrichtungen des alten China dar. Demzufolge hatte er eher einen indirekten Einfluss auf die gesamte chinesische Kultur und somit auch auf das Taijiquan.
Die westliche Welt war seit ihrer frühesten Auseinandersetzung mit dem Daoismus von seinen Ideen fasziniert1. Dabei fußt der Daoismus auf zwei Werken, die wohl im dritten und vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (v. u. Z.2) entstanden sind und die Laozi und Zhuangzi3 zugeschrieben werden. Erster wird als Autor des „Daodejing“ angesehen, dem grundlegendem Buch des daoistischen Kanon4, Letzter als Autor des einflussreichen gleichnamigen Werkes „Zhuangzi“5. Der Daoismus weist dabei eine eigen- und einzigartige Stellung innerhalb der chinesischen Gesellschaft auf. Kaiser waren oft hingebungsvolle Anhänger und das einfache Volk schätzte ihn hoch und integrierte ihn in den weitaus älteren in der chinesischen Gesellschaft fest verankerten Überbau aus Kosmologie und Mythologie. Doch die Gebildeten und Beamten waren ihm gegenüber abgeneigt und kritisierten häufig seine angeblich staatszersetzenden Eigenschaften. Der Daoismus weist dabei im eigentlich Sinn sowohl eher philosophische, als auch prophetische, spirituelle und wahrscheinlich später hinzugekommene religiöse Züge auf, stets aber beruht er auf der mystischen Erfahrung6.
Im Mittelpunkt des Daoismus steht der Begriff des „Dao“, welcher meist als „Weg“ oder „Sinn“ wiedergegeben wird. Allerdings kann dieser nicht mithilfe rationalen Denkens erfasst oder beschrieben werden. Vielmehr ist er vollends nur durch die mystische Versenkung zu erfahren. Wenn ein Mensch durch diese Art der Versenkung die Einheit mit dem Dao erreicht hat, wird er Zhuangzi zufolge als „Zhenren“, als „wahrer Mensch“ bezeichnet. Durch die Verschmelzung mit dem Dao ist der Zhenren demnach nicht nur frei von den Zwängen der menschlichen Gesellschaft, sondern darüber hinaus nicht einmal mehr an die Schranken seiner eigenen Körperlichkeit gebunden7. Im Chinesischen lautet ein schon vor der Han-Dynastie8 verwendeter Begriff für Meditation „Shouyi“, das „Wahren des Einen“, und symbolisiert damit die daoistische Meditations- und Versenkungspraxis9. Diese mystische Erfahrung bringt demgemäß das „De“ hervor, häufig übersetzt mit „Tugend" oder „Leben“, welches das diesseitige Handeln im Sinne eines bereits erfahrenen Dao umschreibt. Das Daodejing des Laozi beinhaltet somit diese beiden Aspekte: „Dao“ und „De“. Es kann dementsprechend übersetzt werden als „klassische Schrift des Weges und der Tugend“. Im Folgenden wird erörtert, was über das Leben des Laozi bekannt ist, wie sein Mythos entstand, und auf welche Weise sich seine spätere Wandlung zum Gott im daoistischen Pantheon vollzogen hat. Im Zentrum des letzten Abschnitts steht dann die Textsammlung des Daodejing und vor allem seine Entstehungsgeschichte.
Laozi
Laozi gilt als der Begründer des Daoismus oder zumindest als einer seiner wichtigsten Vertreter. Im religiösen Daoismus fungiert er zudem als Verkörperung eines der drei Hauptgötter, der so genannten „Drei Reinen“. Über sein irdisches Leben ist jedoch kaum etwas bekannt. Die wenigen häufig zitierten, vermeintlichen Fakten, werden an dieser Stelle zunächst kurz dargestellt, bevor wir uns einer kritischeren Betrachtung seines Lebens(-werkes) widmen.
Üblicherweise wird Laozi als Beamter und Wahrsager aus dem sechsten Jahrhundert v. u. Z. porträtiert. In China wird sein Geburtsjahr meist mit 604 v. u. Z. angegeben. Zu dieser Zeit der „Frühlings- und Herbstannalen“ herrschte die Zhou Dynastie (1045-256 v. u. Z.)10 in China. Während dieser Epoche entstand die chinesische Philosophie in ihren Grundelementen und die Namen der großen chinesischen Philosophen wie Konfuzius, Micius, Menzius und Xunzi lassen sich alle dieser Epoche zuordnen11.
Laozi soll als eine Art Archivar beziehungsweise als Hüter des Zentralarchivs unter dem Taishi, dem Obersten Schreiber in der Hauptstadt der Zhou gearbeitet haben und so, obwohl er keine formale Bildung genossen hatte, in den klassischen Werken besonders bewandert gewesen sein, da er quasi beruflich tagtäglich mit diesen in Berührung war12. In einer Zeit, in der Wissen noch mühsam zusammen gestellt, sortiert und geordnet werden musste und nur wenigen zugänglich war, genoss ein solcher Posten natürlich hohes Ansehen. Über Laozi wird weiter gesagt, dass er das Dao und die Tugend kultivierte und er wird normalerweise als alter Mann und Lehrer dargestellt, der stets mit scharfen Worten Belehrungen erteilt, die Einfachheit des Dao betont und selbst recht zurückgezogen lebte. Nichtsdestotrotz hatte er angeblich eine große Schülerschaft. Auch hatte er nicht nur einen Namen: Laozi, übersetzt etwa der „Alte Meister“, wurde auch „Lao Dan“ genannt, was so viel wie „Altes Langohr“ bedeutet. Sein Familienname war Li und sein Rufname Er. Über seinen Geburtsort hingegen ist man sich der Legende nach einig: Er soll im Reich Chu in der Provinz Ku und in der Ortschaft Quren, welche damals im Südwest-China13 lag, geboren sein.
Der Überlieferung nach soll sogar Konfuzius Laozi um Rat gebeten und ihn zu den (Begräbnis-)Riten befragt haben. Im Werk des Zhuangzi werden in mehreren Passagen Gespräche zwischen Laozi und Konfuzius wiedergegeben. So heißt es an einer Stelle:
„Da fragten ihn [Konfuzius] seine Schüler und sprachen: ‚Meister, Ihr habt den Lau Dan [Laozi] besucht; auf welche Weise habt Ihr ihn zurechtgewiesen?’ Kung Dsï [Kunfuzius] sprach: ‚Ich habe diesmal wirklich einen Drachen gesehen. Wenn der Drache sich zusammenzieht, so hat er körperliche Gestalt; dehnt er sich aus, so wird er zum Luftgebilde; er fährt durch die Wolken und lebt von der lichten [Yang] und dunklen [Yin] Urkraft. Sprachlos stand ich mit offenem Mund daneben. Wie hätte ich es da anfangen sollen, den Lau Dan zurechtzuweisen?’“14
Auch an anderer Stelle wird deutlich, dass Laozis Lehre zumindest teilweise als Gegenentwurf zu Konfuzius aufgefasst wurde:
„Kung Dsï redete zu Lau Dan und sprach: ‚Ich habe das Buch der Lieder, das Buch der Urkunden, die Riten, die Musik, das Buch der Wandlungen und die Frühling- und Herbstannalen in Ordnung gebracht. [...] Keinen einzigen Herrscher gibt es, der bereit wäre, diese Lehren anzuwenden. Wahrlich schwer ist es, sich durchzusetzen unter den Menschen, schwer ist es, den SINN (Dao) ihnen klarzumachen!’ Lau Dan sprach: ‚Es ist das größte Glück, dass Ihr keinen Fürsten gefunden habt, der die Welt in Ordnung bringen wollte. Jene sechs Schriften enthalten die hinterlassenen Fußspuren der früheren Könige, aber nicht das, wodurch sie diese Spuren hinterlassen haben. Worüber Ihr redet, das sind alles nur Fußspuren. Eine Spur wird von einem Tritt erzeugt, aber ist nicht selbst der Tritt.“15
Der Legende nach scheint es also gängige Meinung zu sein, dass Konfuzius Laozi Respekt entgegenbrachte und ihn als den Älteren der beiden durchaus ehrte. Laozis Verhältnis zu Konfuzius sollte später noch einmal, nachdem sich die Schüler der beiden in unterschiedliche Lager gespalten hatten, von Wichtigkeit werden.
Nachdem Laozi in hohem Alter befand, dass die Dynastie im Niedergang sei, schwang er sich auf einen Ochsen und ritt gen Westen. Teilweise wird auch gesagt, dass Laozi den Niedergang der Dynastie vorhergesagt hätte, und dass er daraufhin des Landes verwiesen wurde. Der Mythos beschreibt, dass Yin Xi, eine Grenzwache, ihn an der Landesgrenze darum gebeten hat, seine Lehre niederzuschreiben, um sie der Nachwelt zu hinterlassen. In manchen Versionen der Geschichte zwang er ihn auch, auf diese Weise seinen Wegezoll zu bezahlen. Das Ganze geschah einer späteren Legende nach am Tempel Louguantai in der heutigen Provinz Shaanxi, nur 60 Kilometer von der Stadt Xi’an entfernt. Welcher Geschichte man auch immer Glauben schenken mag, Laozi hinterließ daraufhin etwa 5.000 chinesische Zeichen, die später das meist übersetzte und berühmteste chinesische Buch ausmachen sollten und als das Daodejing bekannt wurden. Laozi verschwand danach vollends im Nordwesten des Reiches und damit auch aus den Geschichtsannalen.
Erzählungen nach ereignete sich einige Jahrhunderte später allerdings noch eine kleine Fortsetzung dieser Geschichte. So suchte der chinesische Kaiser Han Wendi einen alten Mann an einem Fluss auf, um diesen um Rat zu fragen, da der alte Mann als besonders weise galt. Dieser Mann nannte sich Heshanggong. Nachdem sich der Kaiser als demütig und dadurch würdig empfohlen hatte, verkündete der alte Mann, dass er Botschafter des göttlichen Laozi sei, und überreichte dem Kaiser das Daodejing mitsamt seinem umfangreichen Kommentar. Manche behaupten sogar, dass es sich bei dem alten Mann um Laozi gehandelt hätte.
Die historische Person des Laozi
Wenden wir uns nun einer historischen Betrachtung des Laozi zu. In der Schrift Laozis wird weder der Name des Autors erwähnt noch finden sich andere biographische Details zu seiner, geschweige denn zu irgend einer anderen Person. Auch bei Konfuzius und bei Zhuangzi taucht eigentlich niemals der Name Laozi auf, stets nur der Name „Lao Dan“. Zudem wird eine entsprechende schriftliche Überlieferung mit keinem Wort erwähnt. Grundsätzlich scheint der Name Laozis auch kein wirklicher Eigenname zu sein, sondern er ist eher ein Rufname, der, wie bereits erwähnt, so viel bedeutet wie „Alter Meister“. Bis etwa 100 v. u. Z. wird Laozi auch niemals mit einem anderen Namen wie dem oben genannten Li Er in Verbindung gebracht, noch wurde behauptet, dass er aus Chu stamme. Jegliche Details über seine Person wurden wohl erst später hinzugefügt und sind daher stets mit etwas Skepsis zu genießen. „Wenn wir nur wenig über Konfuzius wissen, und weniger noch über Mozi, dann erreichen wir einen Zustand extremer Unwissenheit, wenn es um Laozi geht“16. Dieser Zustand ist gerade in der recht gut dokumentierten chinesischen Geschichte außergewöhnlich. Daher gibt es unzählige wissenschaftliche Debatten sowohl in China als auch im Westen darum, ob es überhaupt jemals einen Mann namens Laozi gegeben hat, der das Daodejing niedergeschrieben oder zumindest entscheidend mit seinen Ideen geprägt hat. Zudem wird seine Schaffensperiode wie oben beschrieben ins sechste Jahrhundert v. u. Z. zu Lebzeiten Konfuzius’ datiert, teilweise allerdings auch erheblich später ins vierte Jahrhundert v. u. Z. Die unterschiedliche Datierung liegt vor allem daran, dass man versucht hat, Personen, die in anderen Werken auftauchen, und über die man historische Informationen besitzt, mit Laozis Identität zu verknüpfen, um auf diese Weise seine Biographie anzureichern. Es ist also in etwa wie bei einem Memory-Spiel, bei dem man eine Karte aufgedeckt hat und nun ihr Pendant sucht. Nur dass das Pendent in diesem Fall völlig anders aussehen kann, was für verständliche Verwirrung sorgt. Neben einigen Nennungen von Laozi in Kommentaren, die weiter unten noch Erwähnung finden sollen, gibt es grundsätzlich nur zwei Quellen, die Aufschluss über seine Person geben: Zum Einen ist es das bereits erwähnte „Zhuangzi“, welches den Namen Lao Dan häufiger nennt und ihn meist in Dialogen als eine Art Gegenspieler und Ratgeber von Konfuzius darstellt. Zum Anderen erwähnt 104 v. u. Z., also einige Jahrhunderte später, das „Shiji“, die dynastische Geschichtsschreibung des Historikers Sima Qian17, den Laozi. Hier finden sich zum ersten Mal auch die biographische Angaben direkt zu seiner Person, doch diese sind widersprüchlich und Sima Qian scheint sich selbst nicht sicher, ob Laozi überhaupt jemals gelebt hat, da er bei seinen Recherchen recht gegensätzliche Aussagen über ihn gefunden hat18. Prinzipiell fand er drei unterschiedliche Berichte über Laozi vor: Der erste erwähnt Lao Dan, einen Archivar, den Konfuzius aufgesucht hat. Der zweite handelt von dem Historiker und Astrologen Dan (Taishi Dan). Dessen Name wird im Chinesischen allerdings mit einem anderen Schriftzeichen gekennzeichnet als der des Erstgenannten. Ein dritter Bericht handelt von Lao Laizi, den Sima Qian allerdings nur kurz abhandelt: „Manche Quellen sprechen von einem Lao Laizi, der ebenfalls aus Chu kam. Er schrieb ein Werk von fünfzehn Sektionen, die den praktischen Nutzen der daoistischen Schule erläutern. Er war ebenfalls Zeitgenosse von Konfuzius.“19 Ansonsten findet diese dritte Person keine weitere Erwähnung und auch Sima Qian scheint ihn im Grunde für eine andere Person als Laozi gehalten zu haben. Zusätzlich nennt Sima Qian noch Laozis Geburtsort, seine Familien- und Rufnamen und listet die Nachkommen beginnend mit seinem Sohn Zong auf.
Insgesamt bedeutet diese dürftige Quellenlage, dass der größte chinesische Philosoph von der Geschichtsschreibung aus einem Sammelsurium verschiedener Persönlichkeiten zusammengestellt worden sein könnte, deren Geschichten aufgrund bestimmter Übereinstimmungen miteinander versponnen wurden. Wobei diese Übereinstimmungen denkbar gering sind und einfach Personen beinhalten, die entweder auch „Lao“ heißen, oder „Dan“ in etwaiger Schreibform, und die in etwa einem Zeitraum von zweihundert Jahren gelebt haben.
Schauen wir uns nun die Entstehungsgeschichte der Laozi zugeordneten Personen des Lao Dan und des Taishi Dan an: Lao Dan ist der bereits erwähnte Archivar aus Zhou, der im „Zhuangzi“ von Konfuzius aufgesucht und um Rat gebeten wird. Die Kapitel des „Zhuangzi“ sind allerdings weder alle zur selben Zeit noch durch den gleichen Autor entstanden; auch hier gibt es einige wissenschaftliche Spekulationen um ihr Anfertigungsdatum und ihre Zusammenstellung20. Man unterteilt sie daher in „innere“, „äußere“ und „vermischte“ Kapitel. Bei den „inneren Kapiteln“ wird die Autorenschaft durch Zhuangzi selbst angenommen, sie gelten also als die ältesten Textnachweise. Die „äußeren“, so vermutet man, wurden im Zeitraum von 400-200 v. u. Z., hinzugefügt und die „vermischten Kapitel“ wohl zumindest teilweise von anderen Autoren ergänzt. Neben den ältesten Aussagen, drei Geschichten über Lao Dan in den „inneren Kapiteln“ Zhuangzis, erwähnt Konfuzius ihn ebenso insgesamt vier Mal in seinem „Zengzi Wen“21. Er wird noch in zwei Episoden erwähnt, die in den „Kong Jiayu“, den Familienannalen des Konfuzius, wiedergegeben werden22. Tritt Lao Dan gegenüber Konfuzius auf, so nennt er diesen meist bei dessen persönlichem Namen „Qiu“. Darauf wollen wir gleich noch einmal zurückkommen. Interessant ist in diesem Gesamtzusammenhang, dass einige Elemente der Geschichte um die Reise in den Westen und die Übergabe von Laozis Werk um 240 v. u. Z. bereits existiert haben müssen, da ein daoistischer Philosoph namens Guanyin in den Werken Zhuangzi und den „Herbst- und Frühlingsannalen von Meister Lü“23 bereits erwähnt wird. Guanyin wurde von Sima Qian später möglicherweise mit Yin Xi, einer angeblichen Grenzwache verwechselt. Das Wort Guan kann im Chinesischen sowohl einen Nachnamen als auch „Bergpfad“ bedeuten. Daher wird teilweise angenommen, dass Sima Qian den Namen des Philosophen Guanyin in „Grenzwache Yin Xi“ abänderte und damit der Nachwelt einige historische Ungereimtheiten hinterließ24. Trotz der Geschichte um die Reise in den Westen wird in den „inneren Kapiteln“ des Zhuangzi von einem Begräbnis Lao Dans berichtet, was seine spätere Reise in den Westen wohl eigentlich hinfällig gemacht haben dürfte. Wahrscheinlich wurde seine Reise gen Westen daher erst später integraler Bestandteil seiner Geschichte. All diese Hinweise lassen eine an unterschiedlichen Zeitpunkten bewusst oder unbewusst veränderte Geschichtsschreibung um die Person des Laozi vermuten.
Daher taucht die Frage auf, nach welchen Maßgaben sich die Geschichtsschreibung zu Laozi auf diese merkwürdige Weise entwickelt hat. Zu Zeiten Sima Qians wurde der Daoismus bereits als eine der „Sechs Schulen“ der chinesischen Philosophie gehandelt. Einige Forscher gehen daher davon aus, dass Lao Dan, der eben auch in den konfuzianischen Werken auftaucht und dort Konfuzius als der Ältere der beiden mit dessen persönlichem Namen Qiu anredet, von den aufstrebenden Daoisten einfach als Gründer ihrer Schule herangezogen wurde, um ihn so als Lehrer von Konfuzius darzustellen. Die konfuzianischen Texte, die eigentlich die große Demut Konfuzius’ darlegen sollten, wurden demnach einfach gegen sie selbst gerichtet25.
Über die zweite Person, dem Taishi Dan, der Laozi manchmal zugeordnet wird, erzählt Sima Qian folgende Geschichte: Dan, der Große Geschichtsschreiber der Zhou, ging 129 Jahre nach Konfuzius‘ Tod26 ins Reich Qin und wahrsagte dem dortigen Herzog, dass in Qin ein neuer Gesamtherrscher und König geboren werden sollte. Obwohl Sima Qian darauf hinweist, dass schon zu seiner Zeit niemand sagen kann, ob dieser Dan wirklich Laozi sei, schließt er die Möglichkeit nicht aus, dass Laozi durch das Ausüben von Langlebigkeitstechniken 160 oder gar 200 Jahre alt geworden sein könnte. Er scheint hier seinen Lesern zu überlassen zu wollen, den Wahrheitsgehalt der Geschichte selbst einzuschätzen. Die Assoziation des Geschichtsschreibers Dan mit Laozi könnte demnach ebenfalls von Daoisten lanciert worden sein, um sich so die Gunst des ersten chinesischen Kaisers Qin zu sichern, da der Begründer des Daoismus ja seine Herrschaft prophezeit und damit auch legitimiert hatte. Gerade, da Qin der Philosophie gegenüber äußerst skeptisch war und mit den von ihm veranlassten Hinrichtungen von Gelehrten und seinen Bücherverbrennungen selbst „Geschichte schrieb“, schien ein solches Vorgehen durchaus für das eigene Überleben der daoistischen Schule sinnvoll und sicherte sie möglicherweise gegen die Verfolgungen ab, die andere philosophische Schulen unter Qin erleiden mussten. Dem ersten Kaiser von China verlangte es im Übrigen auch zeitlebens nach Unsterblichkeit. Daraufhin wäre auch die Reise in den Westen erfunden worden, um die Unsterblichkeit Laozis nicht zu gefährden und doch zu erklären, warum er nicht mehr gegenwärtig war. Praktisch also, um auf diese Weise, wie bei einem Mordkomplott, seinen „Körper zu entsorgen“27. Als die Han nach dem frühen Ende von Kaiser Qin an die Macht kamen, wurden dieser These zufolge zudem die biographischen Details hinzugefügt und Laozis Geburtsort wurde in die Nähe des Heimatlandes der Han verlegt, um ihn so mit dem Geschlecht der Li in Verbindung zu bringen, welches den Han treu ergeben war28. Es lassen sich also durchaus politische Gründe für ein stetiges Abändern der Geschichte des Begründers des Daoismus finden.
Daher ergeben sich möglicherweise auch die Problematiken bei der Datierung des Laozi. Wie schon beschrieben, galt Laozi eigentlich als Zeitgenosse Konfuzius’. Doch die Nennung von Laozis Sohn Zong, der angeblich General des Reiches von Wei war, scheint Laozi eher in das vierte (oder frühe fünfte) Jahrhundert v. u. Z. zu datieren, da das Wei Reich erst ab 403 v. u. Z. existierte. Zudem wird die Grenzwache Yin Xi, wie bereits dargestellt, auch als der Philosoph Guanyin identifiziert, der ebenfalls etwa im vierten Jahrhundert v. u. Z. gelebt haben dürfte. Es ergibt sich also ein recht kompliziertes Bild, wenn man sich die geschichtliche Quellenlage genauer ansieht. Viele Fälschungen von Laozi zugeschriebenen oder ihn beschreibenden Werken haben dabei häufig nicht gerade zur Klärung beigetragen. Möglicherweise ist seine Person also eine Mischung aus mehreren Gestalten, vor allem dem bei Konfuzius und Zhuangzi erwähnten Lao Dan aus dem sechsten Jahrhundert v. u. Z. und dem Historiker Dan aus dem vierten Jahrhundert v. u. Z., dessen Lebensdaten für die Laozi Biographie im Shiji herangezogen wurden zuzüglich der scheinbar weiteren frei erfundenen biographischen Details, die allesamt von politischem Nutzen waren29.
Der Gott Laozi und die Entwicklung des Daoismus
In den zwei Jahrhunderten v. u. Z., während der Dynastie der Frühen Han, wuchs die Bedeutung von Laozis Daodejing stetig. Die Anhängerschaft Laozis und Zhuangzis wurde als eine der „Sechs Schulen“ der chinesischen Philosophie angesehen und rangierte ihrer Bekanntheit nach gleich hinter dem Konfuzianismus. Daher wurde Laozis Person auch vermehrt Beachtung geschenkt. Der Taishi, der Oberste Schreiber, hatte unter Zhou lediglich als Beobachter der Zeiten und deren getreuer Aufzeichner gedient, doch unter den Han änderte sich seine Rolle. Er sollte fortan auch himmlische und andere bemerkenswerte Naturphänomene aufzeichnen und interpretieren, zudem Wettervorhersagen tätigen und diverse esoterische Aspekte der Astronomie erörtern. Der Oberste Schreiber wurde nun also der Oberste Astrologe und es könnte sein, dass „Laozi sich nun von einem kleinen Angestellten wandelte zu einem, der Himmel und Erde kannte und ihre Bewegungen vorhersehen konnte“30. Dementsprechend änderte sich möglicherweise der legendäre Laozi in der Betrachtung der Menschen immer mehr von einem Archivar und Philosophen zu einem Unsterblichen, dem magische Fähigkeiten zugeschrieben wurden. In den offiziellen Staatsritualen der Späteren Han (23-220 u. Z.) wurde er sogar zum Repräsentanten der zentralen kosmischen Harmonie erklärt31.
Bereits seit der Han-Zeit hatte es die Fangshi gegeben, die „Männer der Techniken“. Diese gehen auf ältere schamanistische Traditionen vor allem Südchinas zurück, denen möglicherweise schon Zhuangzi anhing. Es gibt darüber hinaus auch Anzeichen, dass bereits diese Schamanen namens Wu mit den Daoisten in enger Verbindung standen32. Die Fangshi wiederum befassten sich auf Grundlage des „Yijing“33 und der darin enthaltenen uralten chinesischen Lehre von Yin und Yang und den Fünf Elementen mit Astrologie, Magie, Medizin und Weissagungen, zudem praktizierten sie Langlebigkeitstechniken34.
Aber die Schamanen und die Fangshi agierten noch hauptsächlich in kleinen, unabhängigen Gruppen. Im zweiten Jahrhundert verbanden sich ihre Traditionen mit kollektiven Bestrebungen, die zu den ersten dokumentierten daoistischen Organisationen führten. Sie nannten sich Taipingdao, „die Bewegung des Großen Friedens“, und Tianshidao, „der Weg des Himmelsmeisters“. Im Jahr 142 u. Z. war Laozi dem Himmelsmeister Zhang Daoling auf einem Berg erschienen und hatte ihm das Dao offenbart35. Laozi wurde zu diesem Zeitpunkt schon allgemein als heiliger Mann verehrt. Kurze Zeit später, 165 u. Z., wurde er zum Gott ernannt und erhielt den Namen Laojun, der „Herr Lao“, oder Taishang Laojun, der „Allerhöchste Herr Lao“. Auf diese Weise symbolisierte Laozi fortan das leibhafte Dao und Lao Dan wurde zu einer bloßen Manifestation Laozis umgedeutet. 215 u. Z. gab es die offizielle Anerkennung des Tianshidao als kirchliche Institution. Später, während der Tang Dynastie (618-907 u. Z.), verfolgte sogar die regierende Li Familie ihre Vorfahren auf Laozi zurück. Nachdem der Buddhismus in China Einzug erhalten hatte, fand zudem eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Religionen statt36.
Langsam entstand also eine daoistische Religion, die auf Laozis Lehre aufbaute, aber auf vorherigen Vorstellungen aus der chinesischen Kosmologie beruhte und sich auch mit anderen Lehren wie dem Buddhismus, aber auch mit dem Konfuzianismus austauschte und nach und nach ein eigenes göttliches Pantheon erschuf37. Angereichert wurde diese Religion mit ausgiebigen Meditations-, Atem- und Gymnastikübungen, die helfen sollten, körperliche Unversehrtheit und letztendlich Unsterblichkeit zu erreichen38.
Das Daodejing
Wenden wir uns nun, nach all den historischen Ungereimtheiten um die Person des Laozi, seinem Werk zu, welches zunächst ebenfalls „Laozi“ hieß und später den Namen „Daodejing“ erhielt. Wie bereits dargestellt, geht es beim Daodejing um eines der erfolgreichsten und einflussreichsten Bücher der Menschheitsgeschichte. Es besteht aus etwa 5.000 chinesischen Zeichen und ist in 81 Absätze und zwei Kapitel unterteilt39. Die Einteilung in 81 Absätze ist in frühen Textversionen so noch nicht erkennbar und wurde wohl erst später aufgrund von zahlenmystischen Überlegungen, man erachtete die Gleichung 9x9=81 wohl als bedeutsam, entsprechend umgesetzt. Die Absätze 1-37 werden zum ersten Kapitel mit dem Namen Daojing gerechnet, weil es mit dem Wort Dao beginnt. Es behandelt eher metaphysische Aspekte. Die Absätze 38-81 gehören zum Kapitel Dejing, weil es mit den Worten Shang De, die höchste Tugend, beginnt. Das Dejing behandelt eher gesellschaftliche und politische Aspekte. Beide Begriffe kommen aber generell in beiden Kapiteln vor.
Die fortlaufende Entstehung des Daodejing
Obwohl es mehrere Versionen des Daodejing gibt, wurden fast 2000 Jahre lang hauptsächlich zwei Versionen genutzt: Die erste ist aus einem Kommentar zum Daodejing von Wang Bi (226-249 u. Z.), die zweite ist eine weitere Version namens Heshanggong. Heshanggong ist wie zu Anfang bereits genannt eine legendäre Person und war angeblich Lehrer von Han Wendi (regierte 179-157 v. u. Z.). Seine Daodejing Fassung wird daher auf die Zeit der Frühen Han datiert40. Die Wang Bi und Heshanggong Versionen liegen ebenfalls in unterschiedlichen Ausführungen vor, da sie über die Zeit hin immer wieder abgeändert wurden. Gerade vor Erfindung des Buchdrucks waren Kopierfehler natürlich unvermeidbar, da Texte entweder falsch abgeschrieben, oder aus dem Gedächtnis reproduziert werden mussten. Zudem scheint es eine Anpassung der beiden Versionen über die Jahrhunderte gegeben zu haben. Möglicherweise sind die Unterschiede von Wang Bi und Heshanggong daher heutzutage größtenteils gering. Allerdings waren dieses bei Weitem nicht die einzigen Versionen des Daodejing, sondern es gab andere Textzusammenstellungen, die im antiken China kursierten. Zwei spektakuläre archäologische Funde aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ältere Textversionen des Daodejing zu Tage förderten, konnten dies belegen. Der Fund der Mawangdui Gräber von 1973 in Hunan lieferte zwei alte Daodejing Seidentexte. Diese zeigen die Kapitel des Dao und De in umgekehrter Reihenfolge und lassen vermuten, dass die 81 Absätze erst durch spätere Überarbeiter hinzugefügt wurden41. Die zwei Mawangdui-Seidentexte scheinen ursprünglich komplett gewesen zu sein, aber heutzutage ist ein Teil der Texte nicht mehr rekonstruierbar. Ein Text stammt wohl aus dem späten dritten Jahrhundert v. u. Z., der andere aus dem späten dritten oder frühen zweiten Jahrhundert v. u. Z.42. Ein weiterer Fund 1993 in Hubei im ehemaligen Staatsgebiet von Chu enthielt u.a. die so genannten Guodian-Bambustexte. Die Guodian Version des „Laozi“ entspricht abgesehen von einer anderen Abfolge der Absätze im Großen und Ganzen den bekannten Versionen und die ältesten Teile des Textes werden auf das Jahr 400 v. u. Z. datiert43. Obwohl also die inhaltliche Struktur der Mawangdui und Guodian Versionen nicht der heutigen Aufteilung entspricht, wurde in ihnen doch mit Punkten und schwarzen Markierungen gearbeitet, um die Endstellen von Absätzen zu kennzeichnen. Eine grobe, frühe Strukturierung der Texte findet sich also durchaus vor44.
Wahrscheinlich kursierten also mündlich und schriftlich überlieferte Spruchsammlungen, die Laozi zugeschrieben wurden, bereits während des vierten Jahrhunderts v. u. Z. Spätestens im dritten Jahrhundert nahmen sie die heute bekannten Form an und erreichten kurz darauf die Aufmerksamkeit von anderen Gelehrten und Kommentatoren. Hierbei ist auch nicht verwunderlich, dass unterschiedliche Textversionen in Umlauf waren, denn eine Urheberschaft im heutigen Sinne, inklusive Copyright und Verlagsrechten, gab es damals noch nicht. Man hatte es mit „klassischen“ oder gar „heiligen“ Texten zu tun.
Um 250 v. u. Z. wird das Werk „Laozi“ im „Xunzi“ und in den „Herbst- und Frühlingsannalen von Meister Lü“ dementsprechend erwähnt45. Da das „Zhuangzi“ Laozis Werk nicht nennt, wird gemeinhin angenommen, dass es zwar zu Zhuangzis Zeit (also etwa 370-290 v. u. Z.) bereits in Grundform existierte, aber erst später zu einem Gesamtwerk kompiliert und in Laozis Namen zirkuliert wurde. Zwei Kapitel zum „Laozi“ von Han Fei (ca. 280–233 v. u. Z.) stellen wahrscheinlich den frühesten Kommentar des Werkes dar und erwähnen Laozi erstmalig als Autoren desselben46. Weitere Kommentare werden im „Hanshu“ erwähnt, haben aber nicht überlebt47. Spätestens zu Zeiten der Han Dynastie hatte das Werk, angeblich durch den Kaiser Han Jingdi (er regierte 157-141 v. u. Z.), also seinen Status als Klassiker erreicht und schlussendlich auch den Namen „Daodejing“ erhalten.
Textanalysen des Daodejing kommen meist zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich, ähnlich wie andere philosophische Werke dieser Zeit, von unterschiedlichen Autoren zusammengestellt worden ist. Daher variiert auch der Stil von Textstellen innerhalb des Werkes teilweise beträchtlich. Der Kern des Daodejing gilt aber mit seinen Ideen und Konzepten als homogen und zusammenhängend und ist möglicherweise wirklich einem Autoren zuzusprechen48. Der Schreibstil, so lauten die vorsichtigen Analysen, könnte zumindest dem Geiste des „Volkes von Chu“ und „allgemeiner ausgedrückt, dem des südlichen China“ entsprechen und würde demnach, ebenfalls vage vermutet, Sima Qians Bericht zumindest in örtlicher Hinsicht Recht geben49. Der Text des Daodejing selbst legt, verglichen mit anderen Werken aus dieser Zeit, durch seinen Sprachstil und mit seinen Ideen ein spätes viertes Jahrhundert oder frühes drittes Jahrhundert v. u. Z. hinsichtlich seiner ursprünglichen Entstehung bzw. Zusammenstellung nahe50. Doch hier scheint es kaum Konsens unter den Forschern zu geben. Es gibt durchaus Stimmen, die Laozi anhand linguistischer Analysen auf die Zeit vor Zhuangzi datieren51 oder sogar Sima Qians Bericht unterstützen, dass Lao Dan im sechsten oder frühen fünften Jahrhundert v. u. Z. das „Laozi“ verfasst haben könnte52. Viele Stellen des „Laozi“ scheinen sich zudem inhaltlich auf bestimmte Formulierungen von Konfuzius und Micius zu beziehen. Aus dieser Sicht müsste das „Laozi“ also später als das Werk des Micius (ca. 479-381 v. u. Z.), oder zumindest zeitgleich mit diesem entstanden sein53. In einer Enzyklopädie aus den Jahren 977-983 u. Z. ist aber sogar ein Zitat Laozis in Micius’ Werk verbrieft54. Das Zitat taucht in heutigen Versionen nicht mehr auf und gilt daher als umstritten. Falls es aber mit neuen archäologischen Funden in Zukunft bestätigt werden würde, müsste der „Laozi“ infolgedessen als zeitgleich mit oder älter als Micius datiert werden. Hier zeigt sich, dass Archäologie und inhaltliche Exegese des „Laozi“ Hand in Hand gehen und das gesamte Themenfeld noch nicht abgeschlossen ist, sondern sich in einem spannenden und fortwährenden Entwicklungsprozess befindet.
Form und Inhalt des Daodejing
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass innerhalb des Daodejing nie von einem Autoren gesprochen wird und sich auch keine anderen Bezüge zum Autor innerhalb von Konversation mit anderen Personen finden lassen. Das Daodejing bleibt also stets anonym, was für ein philosophisches Werk seiner Zeit eine Ausnahme darstellt55. Auch von seinem theoretischen Aufbau her gibt es keine fortlaufende Entwicklung einer Argumentationslinie, die auf ein Ziel hinführen würde. Das Daodejing wird im Chinesischen zwar nicht als Gedichtband deklariert, ist aber nichtsdestotrotz gereimt und stellt aus westlicher Sicht durchaus „ohne Zweifel ein langes philosophisches Gedicht oder ein Gedichtzyklus, vieles von ihm in Reimform“56, dar.
Der Text ist aus mehreren Gründen problematisch für moderne Übersetzer. Die chinesische Sprache trägt grundsätzlich dazu bei, dass einzelne Zeichen beim Lesen viele Deutungsmöglichkeiten zulassen. Zum Anderen gibt es mehrere Versionen des Textes und es ist fast unmöglich, herauszufinden, welches die Originalfassung des Textes ist, beziehungsweise ob es jemals überhaupt eine gab. Bestimmte Zeichen und deren Aussprache wandelten sich im Lauf der Jahre und veränderten auch ihren Sinn, was eine Deutung darüber hinaus ebenfalls nicht leichter gestaltet57. Ein Beispiel ist der zentrale Terminus De, über den sich die Gelehrten schon seit jeher streiten: „De, welches häufig mit ‚Tugend’ [... im Sinne von Eigenschaft, Anm. d. Verf.] übersetzt wurde, meinte traditionell eine Kraft, gleich ob gütig oder unheilvoll, die andere bewegt, ohne physische Kraft aufzuwenden. Konfuzius nutzte es auf diese Weise, um das Charisma von Zhou zu bezeichnen, welches diesem allgemeine Gefolgschaft [von den anderen Staaten, Anm. d. Verf.] einbrachte, doch er moralisierte und weitete das Konzept aus, so dass es die Fähigkeit wurde, sich gemäß des Weges [Dao, Anm. d. Verf.] zu verhalten und andere auf ihn zu führen“58. Aufgrund dieser Schwierigkeiten gibt es schon seit altersher eine Vielzahl von Kommentaren zum Daodejing. Zudem weist es inhaltlich eine große Themenbreite auf. Die behandelten Themen reichen von politischen Aussagen zur Art der Herrschaftsführung über kosmologische Ansichten bis hin zu Ratschlägen zur individuellen Lebensführung. Und über all diese Problematiken hinaus scheint man dem Werk grundsätzlich nicht mit rein rationalem Werkzeug habhaft werden zu können: „Lao-tzu [das Daodejing] ist das Meisterstück einer Art von Intelligenz am der Logik entgegen gesetzten Pol“59.
Die Entstehungstheorien des Daodejing lassen sich also grundsätzlich in drei Lager teilen: Zunächst ist es möglich, dass Lao Dan oder seine Schüler Teile des Werkes bereits früh niedergeschrieben haben. Oder dass Laozi in der Anfangszeit mündlich weitergegeben wurde und seine Ideen im vierten Jahrhundert v. u. Z. schließlich aufgeschrieben wurden60. In diesem Fall wären aber auch heute noch Originalideen im Werk enthalten, die man entschlüsseln könnte. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Gruppe von Schreibern und Verfassern das Werk über einen längeren Zeitraum, zum Beispiel vom vierten Jahrhundert bis Mitte des dritten Jahrhunderts, aus einer Art “Volkswissen” zusammengestellt und anschließend unter dem Namen „Laozi“ distribuiert hat. Dementsprechend würde es kein Originalwerk und damit auch keinen ursprünglichen Autoren geben. Das Werk würde erst mit jeder erneuten Interpretation seinen Sinn erhalten, ohne dass der Kommentator oder Leser einem ursprünglichen Sinn verpflichtet wäre, den er rekonstruieren müsste. Als drittes ist natürlich jede erdenkbare Kombination aus diesen beiden Theorien möglich. Bei all dem Detailwissen und auch den politischen Motivationen, die zu einer steten Abänderung des Werkes geführt haben können, wie bereits weiter oben zur Person des Laozi beschrieben, sollte auch klar sein, dass hierbei konkrete Theorien, woher der ursprüngliche Text denn alternativ kommen könnte, meist fehlen.
Zu allem Überdruss sollte man heutzutage beim Studieren des Daodejing auch bedenken, dass die Lesesituation, wie wir sie kennen, der damaligen wohl kaum entspricht. Und daher könnte das Daodejing auch eben eine andere Funktion erfüllt haben, als es das heute normalerweise tut. Sowohl Rhythmik des Werkes als auch der generell religiöse gesellschaftliche Kontext, wir erinnern uns and die Wu Schamanen und die „Männer der Techniken“, lassen erahnen, dass das Daodejing über seinen konkreten Inhalt hinaus vielleicht auch als Meditationshilfe gedacht und für den rituellen Gesang bestimmt war61. Ein Vergleich der heute vorliegenden Versionen des Daodejing legt die Vermutung nahe, dass der Schwerpunkt des Werkes zunächst eher auf dem gesprochenen Wort denn auf der Niederschrift lag62. Was natürlich gerade in einer altertümlichen Gesellschaft, in der Lese- und Schreibkenntnisse nicht üblich waren, durchaus sinnvoll gewesen sein dürfte. In vielen anderen Kulturen wurden ebenfalls auf diese rezitative Art und Weise Texte auswendig gelernt, die als wichtig galten und trotz eines weit verbreiteten Analphabetentums der meisten Menschen weitergegeben werden sollten. Aufgrund unserer heutigen Entrücktheit von sowohl dem Entstehungskontext als auch der Entstehungskultur, scheint es insgesamt kaum möglich, zu entscheiden, ob Laozis Anweisungen insgesamt eher philosophischer, religiöser Natur oder als Methode zum Erreichen von Langlebigkeit und Unsterblichkeit zu deuten sind, wie manche Autoren vermuten. Oder möglicherweise als alles in Einem.
Trotz all der wissenschaftlichen Debatten um Laozi gilt das Daodejing aber wohl unbestritten als eines der bedeutendsten Weisheitsbücher der Menschheit. Und auf eigenartige Weise passt es zu diesem Buch, dass sein Ursprung so unklar und ungeklärt ist. Von wem es vor knapp 2.500 Jahren geschrieben wurde, ändert zudem nichts an der Bedeutung seines Inhalts. Das Beste, was aus dem spärlichen faktischen Wissen um die Person und das Werk Laozi entstehen kann, ist wohl die Neugier, mehr über den Inhalt erfahren und sich den Text auf eine eigene, persönliche Art erschließen zu wollen: „Das Daodejing ist für viele Interpretationen offen und benötigt diese [sogar]“63. In diesem Sinne sollte auch der vorliegende Text verstanden werden.
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Glossar chinesischer Begriffe64
Chu (Guo) 楚(国)
Dan 儋
Dao 道
Daodejing 道德经
Daozang 道藏
De 德
Drei Reine 三清
Er 耳
Fangshi 方士
Guanyin(zi) 关(關)尹(子)
Han Fei 韩(韓)非
Han Jingdi 汉(漢)景帝
Han Shu 汉(漢)书
Han Wendi 汉(漢)文帝
Heshanggong 河上公
Huangdi 黄帝
Konfuzius 孔子
Kongzi jiayu 孔子家语(語)
Ku (Xian) 苦(县)
Lai Zhide 来知德
Lao Dan 老聃
Laojun 老君
Lao Laizi 老莱子
Laozi 老子
Li 李
Louguantai 楼观台
Lu (Guo) 鲁(国)
Mawangdui 马王堆
Mencius 孟子
Micius 墨子
Qiu 丘
Quren 曲仁
Shang de 上德
Shiji 史记(記)
Shang chao 商朝
Shouyi 守一
Shouzangshi 守藏史
Sima Qian 司马迁
Taipingdao 太平道
Taiping yulan 太平御览
Taishang Laojun 太上老君
Taishidao 太史道
Tianshi 天师(師)
Wang Bi 王弼
Wei 魏
Wu 巫
Wuxing 五行
Xunzi 荀子
Yang 阳
Yijing 易经
Yin 阴
Yin Xi 尹喜
Zengzi wen 曾子问(問)
Zhang Daoling 张(張)道陵
Zhenren 真人
Zhou Chao 周朝
Zhuangzi 庄子
Zhuxiashi 住下史
Zong 宗
[1] Für einen umfangreichen Forschungsüberblick zum Daoismus siehe Seidel, 1989, und Verellen, 1995; für einen inhaltlichen und historischen Gesamtüberblick siehe zum Beispiel Kohn et al, 2000.
[2] In diesem Kapitel werden durchgängig die Bezeichnungen v. u. Z. (vor unserer Zeitrechnung) und u. Z. (unserer Zeitrechnung) für die Jahre vor beziehungsweise nach dem Jahre Null verwendet.
[3] Zhuangzi lebte etwa 370 bis 290 v. u. Z. Obwohl er im Text noch häufiger Erwähnung findet, wird seine Person und sein Werk hier nur soweit erforderlich erörtert.
[4] Daozang, der daoistische Kanon, bezog sich ursprünglich auf die gesammelten Texte, die in den einzelnen daoistischen Klöstern vorzufinden waren und später auf die entsprechenden Texte in den kaiserlichen Bibliotheken. Die einzige noch vorhandene Sammlung, bestehend aus etwa 1.500 Texten, stammt aus der Ming Zeit (Pregadio, 1997).
[5] Im Folgenden werden chinesische Werke nur bei ihrer Erstnennung in Anführungszeichen gesetzt, die gleichnamigen Werke Laozis und Zhuangzis allerdings durchgängig, falls nicht anders gekennzeichnet, um das jeweilige Werk von dem entsprechenden Autoren voneinander klar abzugrenzen.
[6] Obwohl diese Art der Unterteilung des Daoismus häufig getätigt wird, gibt es auch Wissenschaftlicher, die eben diese strikt ablehnen: „Ich teile die Sichtweise, dass diese [die Unterscheidung zwischen religiösem und philosophischem Daoismus] ein nicht existentes Problem ist, welches nur von einer scheinbaren Unterscheidung herrührt, einer, die in allen Religionen und mystischen Systemen existiert – nämlich die Unterscheidung zwischen Selbstdisziplin (Techniken, Training etc.) und entweder den Resultaten dieser Disziplin oder den Spekulationen, die diese begleiten oder sie krönen.“ (aus dem Englischen übersetzt nach Robinet, 1997, S. 3).
[7] Vgl. zum Beispiel Leibold, S. 334f.
[8] In China regierte die Han-Dynastie von 206 v. u. Z. bis 220 n. u. Z. Die Dynastie wird üblicherweise in die Abschnitte der Frühen Han und der Späten Han unterteilt.
[9] Vgl. Kohn, 1989, S. 125; Kohn weist auch darauf hin, dass „das Eine“, welches zum Beispiel durch den durchgezogenen Yang-Strich in der chinesischen Kosmologie symbolisiert wird, in der daoistischen Philosophie kein klar definierter Begriff ist, sondern durchaus unterschiedliche Aspekte beinhaltet: Erstens stellt es den Zustand der Welt vor der Erschaffung derselben dar. Zweitens ist es das Prinzip, dementsprechend die Erschaffung geschah und weiterhin geschieht. Drittens ist es die urzeitliche Schaffenskraft, die Energie, die alle Dinge erhält. Und viertens ist es eine abstrakte Begrifflichkeit für alles, was existiert (vgl. Kohn, 1989, S. 127).
[10] Diese Zeit ist nach den Reichsannalen „Chunqiu“ des Staates Lu benannt und bezeichnet in etwa die Zeit von 722-481 v. u. Z. (vgl. Gotshalk, 1999, S. 30). Währenddessen regierte die Dynastie der Zhou, die wiederum in die Östlichen Zhou (1046-771 v. u. Z.) und die Westlichen Zhou (770-221 v. u. Z.) unterteilt wird.
[11] Konfuzius (551-479 v. u. Z.); Micius (ca. 479-381 v. u. Z.); Mencius (ca. 372 – 289 v. u. Z.) und Xunzi (ca. 310-237 v. u. Z.); auch bei diesen Philosophen sind die Lebensdaten meist nicht eindeutig.
[12] Auf chinesisch lautete Laozis Berufsbezeichnung Zhuxiashi, wörtlich in etwa „Schreiber unter dem Pfosten“ (vgl. Schreiber-Haanke, 2007a, S. 174), oder auch Shouzangshi. Zum Verhältnis des Taishi mit seinem Schreiber siehe Schreiber-Haanke, 2007b, S. 428.
[13] Vgl. Lewis, 1999, S. 594; heutzutage liegen die Provinzen Hubei und z. T. Henan im damaligen Staatsgebiet von Chu.
[14] Wilhelm, 2006, S. 175
[15] Wilhelm, 2006, S. 177
[16] Gotshalk, 1999, S. 149
[17] Vgl. Graham, 1998, S. 23 (Neuabdruck eines ursprünglich ein älteren Artikels); Sima Qian, ca. 145 – 90 v. u. Z., hat als erster Historiker die chinesische Geschichte von ihren legendären Ursprüngen seit dem Gelben Kaiser bis zur Han Dynastie aufgezeichnet. Laozi wird in Kapitel 63 vorgestellt.
[18] Vgl. dazu Chan, 1963, S. 37
[19] Sima Qian übersetzt aus dem Englischen nach Kohn & LaFargue, 1998, S. 24
[20] Siehe zum Beispiel Liu, 1994
[21] Vgl. Chan, 2000; auch Lau, 1994 (in der Version der Ausgabe von 1989); das Zengzi Wen, „die Fragen an Meister Zeng“, findet sich im Buch der Riten, welches Konfuzius verfasst haben soll. Das Zengzi Wen wurde wohl erst während der Han dem Buch der Riten zugefügt (vgl. Graham, 1998, S. 26).
[22] Es gibt angeblich noch weitere Nennungen des Lao Dan in mehreren philosophischen Werken aus der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v. u. Z.), die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben sollen; vgl. Kohn, 1998, S. 8. Sie bezieht sich hier auf die Seiten 41-164 von Kimuras Werk „Rōshi no shin kekyū. Tokyo. Sō bunsha“ von 1959.
[23] Dieses 239 v. u. Z. fertig gestellte Kompendium geht auf den Kanzler Lü Buwei des vorkaiserlichen Reiches Qin zurück. Guanyin taucht im審己 und 不二 des Werkes auf.
[24] Es geht hier um den Satz “關令尹喜曰“ (Guan Ling Yin Xi Yue) im Shiji (63), in dem Sima Qian möglicherweise das令(Ling) eigenhändig einfügte und so den Posten einer Grenzwache erschuf, weil er den Namen關尹(喜) Guanyin(xi) nicht erkannte. Ob das stimmt, bleibt, wie so vieles, spekulativ.
[25] Vgl. vor allem Graham, 1998
[26] Vgl. Graham, 1998, S. 25f.; wahrscheinlich hat sich dieses im Jahr 374 v. u. Z. abgespielt und wurde von Sima Qian falsch berechnet (ebenda, S. 33).
[27] Graham, 1998, S. 34
[28] vgl. Kohn, 1998, S. 8ff. und Graham, 1998
[29] An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass ein Großteil der historischen Forschung in einer Zeit angefertigt wurde, die sich durch eine besonders kritische Haltung gegenüber religiösen Themen auszeichnet, sowohl im Westen, als auch in der kommunistischen Volksrepublik China, wo Religion lange Zeit als ausgesprochen reaktionär galt. Wenn man also die politischen Umstände der Geschichtsschreibung um Laozi diskutiert, kommt man eigentlich kaum umhin, den Umstand der modernen Geschichtsschreibung ebenso kritisch zu betrachten.
[30] Kohn, 1998, S. 9
[31] Ebenda, S. 2
[32] Robinet, 1997, S. 35f.
[33] Das Yijing, das Buch der Wandlungen, ist der älteste klassische chinesische Text. Legendär wird es dem Kaiser Fu Xi (ca. 2900 v. Chr.) zugeschrieben, um 1100 v. Chr. wurden die zugehörigen Beschreibungen verfasst und Konfuzius ergänzte die Kommentare. Das Yijing beschreibt die Welt symbolisch durch das Zusammenspiel von Yin und Yang, die über ihre sechsfache Kombination 64 Hexagramme ergeben.
[34] Robinet, 1997, S. 37
[35] Bodenkamp, 1999, S.2
[36] Vgl. Corless, 1975, S. 192
[37] Für eine Beschreibung der kosmologischen Konzepte im Daoismus und seinem Verständnis von Göttlichkeit siehe Schipper, 1993, S. 32-44.
[38] Zur Beschreibung der inneren Alchemie im Daoismus vgl. Robinet, 1989; für die Rolle des Qigong im Daoismus siehe Schipper, S.132ff.
[39] Im Chinesischen werden die 81 Absätze Zhang(chin. 章 – Zhāng) genannt, die beiden Kapitel Pian (chin. 篇 – Piān), im Folgenden sollen die Termini Absatz und Kapitel beibehalten werden.
[40] Vgl. Chan, 2007; auch Littlejohn, 2006
[41] Nivison, 1999, S. 805; vgl. auch Graham, 1989, S. 218; für eine Übersetzung der Mawangdui Texte siehe Henricks, 1993 und Möller, 1995
[42] Gotshalk, 1999, S. 149
[43] Chan, 2007; für eine Übersetzung des Guodian Textes ins Englische siehe Henrick, 2005
[44] Chan, 2007; eine gute Gegenüberstellung, die die Übersetzungsschwierigkeiten bei der Berücksichtigung der unterschiedlichen Textversionen aufzeigt, findet sich in Gerstner, 2001; auf S. 6-8 wird ein kurzer Überblick über die Versionen von Wang Bi und aus den Mawangdui und Guodian Funden gegeben.
[45] Graham, 1998, S. 217
[46] Vgl. Littlejohn, 2006
[47] Siehe Chan, 2007; das Hanshu behandelt die Zeit der Frühen Han Dynastie ab 206 v. u. Z und wurde gegen 110 u. Z. fertig gestellt. Für eine Übersicht der frühen Kommentare zum Daodejing siehe Robinet, 1998.
[48] Vgl. Gotshalk, 1999, S. 149f.
[49] Ebenda, S. 150
[50] Nivison, 1999, S. 802
[51] Vgl. Baxter, 1998; Baxter datiert Laozi aufgrund einer aufwendigen Textanalyse, die dessen rhetorische Strukturen und seine Aussprache umfasst, auf etwa 400 v. U. Z., also die Zeit vor Zhuangzhi, aber nach Konfuzius (ebenda, S. 233).
[52] Vgl. Liu, 1994, S. 172-186; Liu vergleicht das Daodejing hierbei mit zwei Gedichtsammlungen, dem Shijing aus der Zeit vor dem sechsten Jahrhundert, und dem Chuci, aus dem dritten oder vierten Jahrhundert (vgl. ebenda, S. 173). Er analysiert die Ähnlichkeiten der Werke in den drei Aspekten Rhythmus, Wiederholung und Reim, und zeigt dabei mehr Ähnlichkeiten des Daodejing mit dem Shijing auf, was für eine frühere Datierung des Daodejing spricht.
[53] Vgl. Gotshalk, 1999, S. 311
[54] Im Taiping yulan (322.5b) nach Chan, 2007
[55] Vgl. Baxter, 1998, S. 249
[56] Aus dem Englischen von Graham, 1989, S. 218
[57] Für eine ausführliche Diskussion der Entwicklung der chinesischen Sprache und Schrift ab 1200 v. u. Z. und demzufolge ihrer Bedeutung für die Interpretation alter Schriften vgl. Boltz, 1999.
[58] Aus dem Englischen von Graham, 1989, S. 13
[59] Aus dem Englischen von Graham, 1989, S. 218
[60] Vgl. Chan, 1963
[61] Vgl. Robinet, 1997, S. 29
[62] Vgl. Möller, 1995
[63] Aus dem Englischen nach Robinet, 1997, S. 29
[64] Grundsätzlich werden hier die in der Volksrepublik China gebräuchlichen vereinfachten chinesischen Schriftzeichen verwendet. Bei manchen Begriffen wurden die traditionellen Schriftzeichen in Klammern hinzugefügt, wenn sie in der Literatur üblicherweise auf diese Art vorzufinden sind.